Gute Interviewfragen von Alex Blumberg
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Was sind gute Interviewfragen? Gimlet CEO Alex Blumberg gibt wertvolle Tipps

In der Kommunikation scheint seit gut einer Dekade nichts so wichtig zu sein wie Storytelling – die Kunst, Geschichten zu erzählen. Egal ob Firmen, Parteien, Wahlkämpferinnen, Vereine, Freelancer, NGOs oder Selbstdarsteller, allen ist gemein, dass sie zum Transfer von Wissen nicht mehr ausschließlich auf die Anhäufung von Fakten und Argumenten setzen, sondern in der Vermittlung dieser auf gute Geschichten setzen. Geschichten sind für ein Publikum unmittelbarer erfahrbar als Excellisten. Daher ist das Freilegen von Geschichten auch in Interviews relevant.

Doch was sind gute Interviewfragen? Um es kurz zu machen: Offene Fragen. „Keine geschlossenen Fragen!“ heißt es immer und überall, wenn es darum geht, aus seinem Gegenüber ein paar Sätze mit Substanz herauszubringen. Geschlossene Fragen sind solche, die man knapp mit ja oder nein beantworten kann und daher in der Journalistengilde verpönt.

Aber wie kann ich konkret vorgehen, wenn ich diesen Fehler vermeiden und ein gutes Interview führen möchte? Alex Blumberg, Gründer und Chef des Podcast-Startups Gimlet, exzellenter Geschichtenerzähler, den man vor allem von Produktionen wie „This American Life“ oder „StartUp“ kennt, hat u.a. Tim Ferriss gegenüber dazu Auskunft gegeben. Seit zwei Jahren schaue ich mir meine Notizen und Ergänzungen dazu immer wieder mal durch, weshalb ich sie hier teilen möchte:

Warum sind geschlossene Ja-/Nein-Fragen so schlecht?

Sie verhindern, dass jemand Emotionen oder seine Geschichte verbalisiert. Und genau das — Geschichten und Gefühle — sind es, die für Spannung sorgen und uns Begebenheiten fremder Menschen näher bringen. Aus dem Munde derer, die sie erleben, wirken sie viel intensiver als durch die Berichte Dritter.

Wie lassen sich also echte Einblicke in die Gefühlswelt hervorlocken?

Was kann man fragen, um jemanden zu ermuntern, über seine Emotionen zu plaudern? Wer hätte es gedacht, aber man kann da ganz direkt vorgehen:

„Was hat das in Dir ausgelöst?“ / „Wie hast Du Dich dabei gefühlt?“

Möchte man den inneren Konflikt eines Menschen, das „Einerseits-Anderseits“, das Drama rund um einen Fakt zum Vorschein bringen, so bieten sich diese Fragen an:

„Wenn Dein altes Ich Dich heute sehen könnte, was würde es dazu sagen?“

„Wenn Du die Auseinandersetzung in Deinem Kopf beschreiben müsstest, was sagt die eine Seite, was die andere?“

„Gab es jemals einen Punkt, an dem Du noch nicht so entschlossen/ so sicher warst?“

Ist die Antwort auf die letzte Frage „nein“, empfiehlt Blumberg: „Zero in on the weakness!“ — also richte deinen Blick auf die Schwächen.

Das ist einfacher gesagt als getan, denn als Interviewer ist man auch Mensch, dem es sich verbietet, das Schamgefühl seines Gesprächspartners zu verletzen. Während man im privaten Dialog häufig aus Höflichkeit über Unstimmigkeiten oder unangenehme Themen hinwegsieht, ist man hier aufgefordert, genau das Gegenteil zu tun, denn mit ausweichenden Floskeln ist niemandem gedient.

Ein schwieriger Spagat. Doch in beiden Fällen möchte man eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Person gegenüber wohl und sicher fühlt. Sie sollte nicht befürchten müssen, hereingelegt zu werden. Ohne Vertrauen, die eigenen Aussagen nicht völlig im Mund umgedreht zu bekommen, möchte niemand etwas sagen.

Ein weiteres Hindernis für gelungene Tonaufnahmen mit guten Zitaten ist der Umstand, dass man für gewöhnlich Empathie kundtut und zum Fortfahren ermutigt, indem man hörbares Feedback wie „stimmt, ja, genau, hmm hmm, das kenn’ ich“ äußert. Noch problematischer wird es, wenn man die Antworten „errät“ und selbst ausspricht. Die eigenen Interpretationen sind aber nicht nur nicht von Belang und störend sondern womöglich auch falsch.

So sieht es auch Karly Nimmo in seinem Beitrag für Problogger

„Another pet hate is the need to constantly validate. Silence is golden, and nowhere is that more true than in your role as a podcast host. Keep quiet. The constant ‘hmmmm’ and ‘yes’ can be distracting. And it stops your guests’ flow.

I totally understand that it’s natural for us to want our guest to know that they are being heard. And vocal validation is one way of making that happen. If you feel like that is the case, maybe do a video call instead. That way you can nod your head, smile and look at the camera. This helps to build rapport too, as the person really feels like you are listening.

Generally, people are very uncomfortable with silence. They need to fill it. Just like you do, when you are validating someone vocally. So people will fill the silence with something. Anything. And when you fill that silence, you’re not allowing the gold to unfold. The gold really happens when your guest goes off path and starts to wander down a road they hadn’t even considered. This is where you’ll often get your “tweetable”, or your magic quote.“

Gelingt es also, den Konflikt oder die Geschichte zu verstehen, ohne dass der O-Ton bereits ein schlüssiges, zusammenhängendes Zitat liefert, kann man folgendermaßen nachhaken:

„Wie erklärst Du Dir das?“

„Warum ist diese Geschichte für Dich wichtig.“

„Hättest Du an deren Stelle anders gehandelt?“ — „Warum?“

„Was glaubst Du, wovor haben sie Angst/ warum haben sie so reagiert/ was ist daran unglaubwürdig?“

— Und dann sei still!

Vor allem der Rollentausch in der letzten Frage erlaubt es den Befragten, eine ehrliche Einschätzung über sich abzugeben, ohne sich selbst direkt kritisieren zu müssen.

Fragen, die zu Geschichten führen

Bislang haben wir vor allem nach den Gefühlen gefragt. Wie kann ich mich zusätzlich gezielt um Geschichten bemühen? Dazu erklärt Blumberg zunächst, was ein Narrativ ausmacht und identifiziert „rising action“, also einen Spannungsaufbau/ die Klimax sowie „culmination/ realization/ punchline/ joke/ revelation“ also den Höhepunkt, die Auflösung, die Pointe, die überraschende Wende, den Knalleffekt, die Enthüllung, den Durchbruch.

Die direkte Variante ist ganz einfach:

„Erzähl mir die Geschichte von…“

Etwas mehr Anleitung geben Fragen nach einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit oder nach Dialogen:

„Erzähl mir von der Zeit, als Du…“

„Erzähl mir von dem Tag, an dem Du…“

„Erzähl mir von dem Moment, in dem Dir klar wurde, dass…“

„Erzähl mir aus der Zeit in Deinem Leben, als…“

„Beschreibe das Gespräch…“

„Beschreibe den Prozess/ was waren die Schritte?“

Doch woran merke ich, dass ich auf der richtigen Spur bin?

Laut Blumberg gibt es ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass man auf eine Geschichte gestoßen ist: „When they talk in dialogue“, wenn also in der Dialogform gesprochen wird: „Dann hat er gesagt (…) und dann hat sie gesagt (…), woraufhin er antwortet (…). Da ist das Drama nicht weit und die Zuhörer werden direkt zu dessen Quelle mitgenommen.

Welche Tipps kannst Du geben? Welche Erfahrungen hast Du mit Interviews gemacht? Ich freu mich über Feedback hier im Blog oder auf Twitter an @jollinski

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