Was mich auch einen Monat nach der Republica noch so bewegt, dass ich es hier aufgeschrieben habe.
Inhaltsverzeichnis:
- Lohnt sich ein Ticket für die Republica?
- Not a Hero: Chelsea Manning
- Wie gehen wir mit dem Rechtspopulismus um? Verkopfte, inspirierende und aufschlussreiche Antworten
- Filter-Clash statt Filterblase?
- Vom Scherzen und Texten
- Podcasts: Eine Nische. Aber eine tolle
- Internetintendanz: Ein Vorschlag mit Schmäh für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Netflix-Zeitalter
- Chinas Überwachung auf freiwilliger Basis: Für ein paar Bonuspunkte in die totalitäre Gesellschaft
- Zurück zur eigenen Haustür: Das Bayerische Polizeigesetz
- Was noch? Beckedahl, Bundeswehr, Diplix, Netzbasteltricks und wie die Wurst gemacht wird
Scheiß drauf. Ich buch’ ja eh. So läuft das immer, wenn mich im Herbst die Mail erreicht, dass ab sofort Frühbuchertickets für die im Mai kommende Republica zu haben sind. Will ich da hin?
Lohnt sich ein Ticket für die Republica?
War ja jetzt schon ein paar Mal da. Was Bahnbrechendes passiert bestimmt nicht. Und überhaupt, wird auch immer mainstreamiger. Weniger lernen, mehr representen. Alle, die Angst haben, im Digitalen was zu verpassen, vergewissern sich gegenseitig vor Ort, dass sie doch eigentlich auf einem ganz guten Stand sind – solange es um Social Media Ads geht. Und haste gehört? Bloggen und Podcasten sind immer noch lebendig. Sogar die Zeitungen haben inzwischen Geschäftsmodelle entwickelt für die Zeitrechnung nach dem Printabo. Klar, die Packung Datenschutzdystopie ist jedes Jahr das Schwarzbrot, auf dem das Klickibunti-Menü serviert wird. Wenn man aber tiefer in ein Thema eintauchen möchte, müsste man eigentlich auf andere Fachkonferenzen gehen.
Wie ein Festival – nur ohne die anstrengenden Bands
Eigentlich. Aber die Republica bedeutet jedes Jahr eine gute Zeit. Von Programm und Motto ganz unabhängig. Die grobe Stoßrichtung ist klar und der Charme entsteht schon durch die Location. Drinnen und draußen, große Bühnen, kleine Bühnen, Installationen, viel Liebe beim Branding, Messestände, Bällebad, Bratwurst, Kaffee, Bier, Affenfelsen. Inzwischen freue ich mich, wenn mich vieles im Programm nicht direkt anspricht. Den Blockchain-/ Bitcoin-Hypetrain wollte ich sowieso verschlafen. Dann bleibt auch die anfängliche Verzweiflung aus, auf den Parallelsessions etwas zu verpassen. Lieber ein paar Perlen rauspicken, offen bleiben für Empfehlungen anderer und sich ansonsten mit den lieben Leuten unterhalten, die ich in dieser Schulhofatmosphäre sonst nicht treffe.
Also buchen! Tolle Eindrücke waren bislang immer dabei. Letztes Jahr zum Beispiel der Vortrag von Elisabeth Wehling über die Macht der Sprachbilder. Was ist also einen Monat nach der #rp18 bei mir hängengeblieben?
Not a Hero: Chelsea Manning
Schwer beeindruckt hat mich der „Opening Fireside Chat with Chelsea Manning“. Meine Erwartungen waren niedrig. Wäre die Whistleblowerin für eine Lesung in meiner Stadt gewesen, ich wäre nicht hingegangen. 2010 hatte sie noch als U.S. Soldat Bradley Manning Dokumente und Videos der Armee aus den Kriegen im Irak und Afghanistan an Wikileaks durchgestochen. Aus den Medien „kannte“ ich sie als tragische Heldin und gebrochene Figur. Ihre Tat war heldenhaft und resolut, aber in ihrer Persönlichkeit wirkte sie bekümmert und irritiert. Es gab keinen Grund zur Annahme, dass die Leisesprecherin, die aus ihrem Gewissen heraus gehandelt hatte, nun als Rampensau Bühne und Publikum um den Finger wickeln würde.
Aber die Chance, sie zu sehen, wollte ich wahrnehmen. Zu 35 Jahren Haft war Manning u.a. wegen Spionage verurteilt worden. In einer seiner letzten Amtshandlungen als U.S.-Präsident wurde sie von Obama begnadigt. Sieben Jahre hatte sie da schon in Haft verbüßt. Nun saß Chelsea Manning hier in Kreuzberg auf der Stage 1. Nicht nur per Video-Anruf wie Jan Böhmermann oder einst Edward Snowden, sondern live und in Farbe.
Sie ließ das Publikum an persönlichen Momenten im Krieg und in der Haft teilhaben, über den Prozess der Geschlechtsangleichung in Haft schreibt sie ein Buch – und trotz all der intimen Einblicke wahrte sie ihre persönliche Sphäre, zog Grenzen. Sogar die Begnadigung sei ein Schock gewesen, den sie noch immer nicht verdaut hätte. Der breiteren Öffentlichkeit stelle sie sich trotzdem, weil sie darin die Chance auf Aufklärung sieht. Bevor Manning auf Fragen antwortete, nahm sie sich auf der Bühne jeweils ein paar Augenblicke Zeit, um ihre Gedanken zu sortieren. Die Sätze, die den Pausen folgten, wirkten um so stärker.
Als Data Analyst der Army erfuhr Manning aus erster Hand, wie aus ambivalenten Datensets und verkürzten Abwägungsregeln in der Masse Kriterien produziert werden, die über Tod und Leben entscheiden. Sie gehört nicht zur Sorte der Zukunftsverzagten, die Technik sicherheitshalber auf Vorrat verteufeln. Umso mehr Gewicht hatte ihr Wachrütteln. Moral müsse schon in die Algorithmen mit einprogrammiert werden. Zeit und Geld muss investiert werden, damit Programmierer und Programmiererinnen schon bei der Arbeit am Code und bei der Auswahl der Trainingsdaten für selbstlernende Systeme mögliche Konsequenzen in den Blick nehmen und ethisch abwägen, statt nur an technischen Problemen zu arbeiten. Der Computer sagt gar nichts. Der Computer gibt nur aus, was man ihn nach den vorgegebenen Regeln aus den gefütterten Daten errechnen lässt.
Das Publikum war beeindruckt und versuchte, den Dank, den Respekt und die Ehrfurcht vor Manning an sie zu artikulieren – und stilisierte sie dabei versehentlich zu der Popikone, die sie offenbar nicht sein möchte. Es war spürbar, dass sich Manning in dieser Rolle nicht nur unwohl fühlt, sondern sie für schädlich hält. Ohne zu brüskieren wies sie die Komplimente zurück und kämpfte sich aus der Schublade wieder raus. Wir sollten uns nicht an Leuten aus dem Fernsehen, aus den Medien, aus einer fremden Welt orientieren – dass sei nur Popkultur. Auch Institutionen gegenüber zeigte sie sich skeptisch. Man müsse sich in seinem persönlichen Umfeld umschauen. Dort säßen die Freunde, die Helden, denen man helfen könnte und die einen umgekehrt unterstützten und einem Halt gäben. Als Manning die Dokumente leakte, richtete sie sich indirekt an die Weltöffentlichkeit. Aber den Schritt ging sie allein. Mit den Mitteln der Zeit, aber ohne eine Bewegung im Rücken.
Wie gehen wir mit dem Rechtspopulismus um? Verkopfte, inspirierende und aufschlussreiche Antworten
50 Jahre nach den 68ern wurden auf dem „Eröffnungspanel: Die Revolution disst ihre Kinder – alte Linke, neue Rechte und das Internet“ Unterschiede und Parallelen in der gesellschaftlichen Debatte zum aktuellen Rechtspopulismus gezogen. „Intellektuell“ wird zuweilen ja als Schimpfwort gebraucht. Das Panel gab den perfekten Anlass dazu.
Intellektuell – aber als Schimpfwort
Hier sollte wohl weniger das Publikum erreicht oder interessiert werden. Vielmehr versteckten sich Redner und Rednerin hinter Fachbegriffen und debattierten auf abstrakter, ideeller Ebene, obwohl viele ganz fleischliche Lebenssituationen besprochen wurden. Das Tragische: Der Gesprächskreis hatte den Mangel an einfachen Erzählungen als Teil des Problems ausgemacht, für den sich der Rechtspopulismus als Lösung präsentiert.
„Ich glaube aber, bei diesem ganzen Erfolg der Rechtspopulisten spielt diese aufmerksamkeitsökonomische Dimension der Identität durch Differenz eine ganz starke Rolle,“
so zum Beispiel Nils Markwardt. Fachsprache ist oft präziser, aber hier hätte in vielen Fällen die Alltagssprache genügt und wäre sogar die bessere Wahl gewesen. Mag sein, dass bestimmte Buzzwords bei einem Fachpublikum Türen zu ganzen Welten und Kontexten aufstoßen, aber fachfremdes Publikum bleibt außen vor.
Einfach ist nicht doof
Anders machten es Johannes Hillje, Elisabeth Wehling, Marco Bülow und Julia Ebner beim Thema „Rechtsruck in Deutschland – Linksabbiegen (un)möglich?“ moderiert von Melanie Stein. Die Veranstaltung habe ich leider verpasst. In der morgendlichen Schlange wollten noch zu viele Menschen ihren Koffer am Eingang abgeben. Aber zum Glück gibt es Videos und Tonaufnahmen, so dass ich die Debatte im Podcast nachhören konnte.
Schon ein Begriff wie „Umweltschutz“ könne zu abstrakt für manche Leute sein. In unseren Hörgewohnheiten sträuben wir uns geradezu allergisch gegen manche Wörter, weil uns die damit verknüpften Weltbilder zuwider sind. In einer Studie stießen Elisabeth Wehling und Kollegen schon dann auf offenere Ohren, wenn nicht vom Umweltschutz die Rede war, sondern stattdessen vom Schutz des Wassers, der Erde und der Luft gesprochen wurde. Die Gesprächsrunde lieferte noch einige andere griffige Beispiele dazu, wie man sich im Alltag dagegen wehren kann, Rechtspopulisten permanent ungewollt in die Karten zu spielen und stattdessen eigene Themen positiv zu besetzen. Eine tolle Veranstaltung.
Genau hier setzte auch Ingrid Brodnig mit ihrem Vortrag „Warum sind die Rechten so hip im Netz?“ an. Sie hat sich näher mit der digitalen Kommunikation von Rechtspopulisten auseinandergesetzt. Klar ist: Der Erfolg ist kein Zufall, denn Rechtspopulisten verfolgen klare Ziele mit einer professionellen Strategie. Das hätten sie vielen anderen politischen Kräften voraus. Eine gute Zusammenfassung des Vortrags hat Simon Hurtz in der Süddeutschen geschrieben.
Dazu passend: Rassisten geben sich häufig einfach mehr Mühe:
„Racists often have to pretend to not be racist. And that requires work. So they put in the effort that many of us don’t when interacting with others. So research shows, believe it or not, racists often make a better first impression“https://t.co/Nd5nOqDj7Z pic.twitter.com/IE8EfbuDcH
— Jolle Lahr-Eigen ⛵ (@jollinski) 1. Juni 2018
Filter-Clash statt Filterblase?
Auf Eli Pariser geht der Begriff der „Filter-Bubble“, der „Filterblase“ oder „Echokammer“ zurück, wonach Internetfirmen so danach bestrebt sind, uns zu gefallen und ihre Inhalte unseren Vorlieben anzupassen, dass wir mit konträren Ansichten, die unsere Weltsicht herausfordern würden, gar nicht mehr konfrontiert werden. Die Erklärungskraft der Filterblase ist extrem attraktiv und deshalb in aller Munde. Wie kommt es, dass Verschwörungstheorien und Falschnachrichten sich so unauslöschlich verbreiten, obwohl es genügend Informationen gibt, die sie widerlegen? Wie kommt es, dass Sie vom Deutsch-Iraner Kuro Salehi Takhasomi noch nie etwas gehört haben, obwohl der mit drei Millionen US-Dollar erspieltem Preisgeld und einem Millionenpublikum im Netz einer der erfolgreichsten Gamer der Welt ist? Die Filterblase ist als Erklärung schnell zur Hand. Vermutlich interessieren Sie sich einfach nicht für eGames oder Online-Zocker.
Die Filter-Bubble ist als Denkschablone schon beinahe banal geworden, so selbstverständlich ist sie uns. Dem setzt Bernhard Pörksen den „Filter-Clash“ entgegen. Es stimme schon, man könne sich immer weiter in seine Vorurteile hineingoogleln und sich im Netz vorrangig mit Gleichgesinnten umgeben. Aber haben Sie schon mal versucht, Ihnen unliebsame Themen, Sendungen und Personen oder Hass effektiv stummzustellen? Obwohl Netzwerke wie Twitter und Facebook Mute- und Blockierfunktionen bereitstellen, ärgern wir uns doch erstaunlich oft über die „dämlichen Kommentare“ der „anderen“, darüber, dass uns Inhalte zu Fernsehsendungen und Politiker in die Timeline gespült werden, von denen wir gar nichts wissen wollten. Ganz so undurchlässig, wie wir Menschen uns es versehentlich aussuchen würden, sind die Filterblasen dann wohl doch nicht.
Vom Scherzen und Texten
Schlaue Leute, die witzig sind und texten. So jemand wäre ich auch gern. Deswegen habe ich mich gerne für diese Runde im Gang auf den Boden der Media Convention gehockt. Christian Brandes hat mir schon Tränen in die Augen getrieben, als Schlecky Silberstein noch Spiegel Offline hieß. Meistens reichten dafür schon die Fundstücke an beknackten Videos, die er aus dem Netz fischt. Aber seine Texte geben dem Ganzen immer nochmal einen besonderen Dreh. So gut. Und setzt sich mittlerweile beim Bohemian Browser Ballett auf YouTube fort. Sehr zu empfehlen ist auch das Streitgespräch aus dem Jahr 2013, in dem er sich den Angriffen vom Blogger Nerdcore stellt, nur ein SEO-anbetender Agenturfutzi zu sein.
Sophie Passmann war mir neu, hat aber sofort Eindruck geschunden. Für Standup-Comedians, die sich der harten Realität eines Live-Publikums stellen, habe ich sowieso Respekt. Wenn sie dann auch noch lustig sind, Hammer. Auch Peter Wittkamp war mir kein Begriff – die BVG-Kampagne und die heute-Show, für die er arbeitet, aber natürlich schon. Drei witzige Leute auf einer Bühne sind keine Garantie für gute Unterhaltung. Für Ironie und Sarkasmus braucht es ja immer etwas anderes, worauf man schlagfertig reagieren kann. Aber die Drei haben sich die Vorlagen gegenseitig geliefert und lustig war’s.
Sogar Aufschlussreiches war dabei: Ohne ihren Job zu überhöhen, konnte die Runde rüberbringen, wieviel Hirnschmalz in das reingeht, was als flapsiger Witz an die Öffentlichkeit kommt. Alle machen sich sehr wohl Gedanken um die Persönlichkeitsrechte der Leute, die sie ins Lächerliche ziehen, und verzichten dann lieber auf die ein oder andere Pointe. Außerdem berichteten sie über den Einstieg ins Texten und ins professionelle Scherzen. Ein Ritt durch Praktika und Volontariate sei dafür nicht notwendig. Eine Ausbildungsstrecke wie in den USA gäbe es in Deutschland nicht.
„Meine besten Autoren, die hab ich alle von der Straße gekratzt […] man muss überhaupt gar nichts studieren […] Ich hätte mir immer gewünscht, dass irgendwelche Leute mal nicht nach Berufserfahrung fragen […]. Es ist nicht so eine Art ‚Comedy-Elfenbeinturm‘. Jeder hat Ideen und wenn das in einer höheren Schlagzahl und einer tieferen Qualität passiert, dann soll er in Gottes Namen an meiner Seite arbeiten“ (Christian Brandes).
Mit einem Twitter-Account könne sich heute jeder und jede zeigen.
Podcasts: Eine Nische. Aber eine tolle
Rasenfunk-Produzent und -Moderator Max-Jakob Ost zeigte auf, welche Lücke Podcasts im Journalismus füllen können – insbesondere Sportpodcasts im Sportjournalismus. Als treue Rasenfunk-Hörerin weiß ich, mit welcher Professionalität Max alles angeht, was er anpackt. Doch weil ihm einige Leute den provokativen Titel seines Vortrags verübelten, und ihn das vorab samt Häme spüren ließen, machte er sich für meinem Geschmack kleiner, als er ist.
Der Journalist Stefan Schulz vom „Aufwachen!“-Podcast und der Physiker Nicolas Wöhrl vom Wissenschaftspodcast „Methodisch inkorrekt“ traten da bei „Go Podcasting! Unser Appell zur Rückeroberung der digitalen Öffentlichkeit“ schon deutlich offensiver auf. Wissenschaft und Journalismus seien zu einem Gutteil von der Öffentlichkeit finanziert, in der Tiefe diskutiert würden Themen aber nur selten. Podcasts könnten hier Abhilfe schaffen. Deshalb sollten noch viel mehr Menschen mit Expertise in einer Domäne – vor allem noch mehr Frauen – podcasten und ihr Wissen teilen.
Die Öffentlichkeit finanziert Wissenschaft und ist dann von den Ergebnissen ausgesperrt
Nico Wöhrl machte das vor allem mit Blick auf die Wissenschaftskommunikation in seinem feurigen Plädoyer plausibel. Menschen in der Wissenschaft drückten sich gerne besonders kompliziert aus. Ihre Erkenntnisse würden in unverständlicher Sprache in Fachjournalen publiziert, die für die Öffentlichkeit hinter Bezahlschranken und sprachlichen Barrieren verborgen blieben. Das Bonussystem in der Wissenschaft bremse alles, was nicht der Publikation in Fachzeitschriften diene. Dabei lebe vor allem die Wissenschaft vom freien Austausch der Ideen. Bei „Methodisch inkorrekt!“ nimmt er sich dagegen zusammen mit seinem Kollegen Reinhard Remfort stundenlang Zeit, genau solche Fachartikel aufzudröseln und zu erklären. Die zwei touren zudem für Live-Auftritte durch die Lande und treffen sich mit ihren Hörerinnen und Hörern. Das sehe die akademische Laufbahn zwar offiziell nicht vor, doch Wöhrl sei sich sicher, dass er seinen Job an der Uni ohne die Aufmerksamkeit nicht bekommen hätte, die er sich mit seinem Podcast erarbeitet hat.
Katrin Rönicke hatte dann bei der Vorstellung von „Mach langsam! Ein Podcastlabel als slow business“ wieder deutlich weniger Zug. Mit der Idee trat sie bei mir ja offene Türen ein: keinem Investor im Businessplan exponentielle Wachstumsexplosionen vorgaukeln müssen, sondern langsam schauen, zu welcher Größe ein Projekt organisch wachsen kann. Aber ist hauseins.fm ohne jede Dringlichkeit dann mehr als ein Hobby? Warum dann den Stress der Unternehmensgründung auf sich nehmen? Ich bin ein bisschen ratlos geblieben.
Internetintendanz: Ein Vorschlag mit Schmäh
Österreichisch und Bayerisch. Diese Sprachen machen mich glücklich. Wenn sich dann ein Wort wie „Internetintendanz“ in den Titel schleicht, das bei mir sämtliche Erinnerungen an die Realsatire Edmund Stoiber und dessen „Kompetenzkompetenz“ wachruft, schlage ich natürlich auf im Stadl.
Leonhard Dobusch kannte ich schon von früheren Republica-Auftritten. Der Jurist und Wirtschaftswissenschaftler forscht zur digitalen Organisation, zu Netzwerkeffekten und zum Urheberrecht. Vor zwei Jahren ließ er sich als Zuständiger für den Bereich „Internet“ in den ZDF-Fernsehrat wählen. Auf der Bühne stellte er nun ein Konzept vor, wie die Öffentlich-Rechtlichen auch in Zeiten von Mediatheken und Livestreaming für Qualitätsinhalte im Digitalen sorgen, anderen bei der Produktion unter die Arme greifen könnten, und wie ein modernes Gebührenmodell dafür aussehen müsste. Toll. Nicht nur Probleme beschreiben und Witze über Inkompetenz reißen, sondern einen durchdachten Vorschlag zur Lösung machen. Das hat schon Seltenheitswert und war einfach klasse.
Chinas Überwachung auf freiwilliger Basis: Für ein paar Bonuspunkte in die totalitäre Gesellschaft
Den günstigen Versicherungstarif gegen Daten der Health-App? Darüber kann man in China nur lachen. Hier interessieren sich Geldverleiher und Arbeitgeber auch dafür, wie du deine Eltern behandelst und integrieren sämtliche digitalen und analogen Spuren zu einem „Social Score“, der aussagt, was für ein guter oder schlechter Bürger du bist. Das war ein verdammt gruseliger Blick in eine Zukunft, die kommen wird, wenn wir uns nicht dagegen entscheiden. Auch der SZ-Podcast hat fast zeitgleich einen schönen Beitrag dazu geliefert.
Zurück zur eigenen Haustür: Das Bayerische Polizeigesetz
In München waren noch vor der finalen Parlamentsabstimmung zehntausende Menschen zusammengekommen, um dagegen zu demonstrieren und die Abgeordneten umzustimmen – etwa fünfmal mehr als die 7.000 geplanten. Es nützte nichts. Jetzt ist das bayerische Polizeiaufgabengesetz Realität. In ihrem Vortrag „Ab Sommer in Bayern: Das härteste Polizeigesetz seit 1945“ stellte Marie Bröckling die Inhalte dar und setzte sie in Relation. Die Polizei erhält damit viele tief in die Privatssphäre einschneidende Berechtigungen, um schon bei „drohender Gefahr“ eingreifen zu dürfen. Es ist natürlich schön, wenn schwere Straftaten nicht erst abgewartet werden müssen, bevor reagiert werden darf. Die CSU verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht so ein Eingreifen in seinem BKA-Urteil aus dem April 2016 gebilligt hätte und es damit verfassungsgemäß sei.
Dieser rhetorische Trick ist dreist. Verschwiegen wird dabei, dass das Verfassungsgericht enge Grenzen gezogen und ein solches Vorgehen nur für den Fall von Terroranschlägen auf Menschenleben und nur für den Verfassungsschutz vorgesehen hatte. Das bayerische Gesetz gesteht diese Privilegien nun auch der Polizei bei ganz alltäglicher Kriminalität zu, wo es mitunter nur um Sachbeschädigung geht. Man gruselt sich. Auch in der Heimat.
Was noch? Beckedahl, Bundeswehr, Diplix, Netzbasteltricks und wie die Wurst gemacht wird
Ein Pflichttermin ist natürlich jedes Jahr der Ritt im Schweinsgalopp durch das netzpolitische Jahr der Bundesrepublik und der Welt mit Markus Beckedahl, Mitgründer der Republica und Chefredakteur von Netzpolitik.org. Der volle Fön bierernster Infos zu launigem Bildgut.
Was währenddessen völlig an mir vorbei ging, war die Guerilla-Marketing-Aktion der Bundeswehr, zu der sie ausholte, weil sie keinen Messestand auf der Republica bekommen hatte. Hier die lesenswerte Chronologie eines provozierten Missverständnisses auf Netzpolitik.org.
Immer darf man gespannt sein, wie Felix Schwenzel aka @diplix Fragen nach dem Sinn des Lebens stellt, damit er nicht über Heimautomation vortragen muss.
„wir wissen schon was wir kurzfristig wollen, aufs klo, raus, pizza, singen, tanzen, mehr follower, ne schönere wohnung, aber was wir wirklich wollen, was wir vom leben eigentlich erwarten, das wissen wir — irgendwie — nicht.“
Den Vortrag samt Wort-Bild-Scheren kann man hier sogar lesend nacherfahren.
Was nicht geht:
Einen 0815-Standard-Vortrag samt 0815-Foliensatz mit ewig dauerndem Imagefilm-Intro plus purer Phrasendrescherei ohne jeden Bezug zum Ort oder zum Publikum auf einer der Hauptbühnen runterhaspeln, weil man einer der Hauptsponsoren ist.
so wie man nicht wirklich sehen will wie wurst gemacht wird, möchte ich nicht sehen, wie die @republica sich finanziert. gruselig.
— felix schwenzel (@diplix) 4. Mai 2018
Was schon geht:
Einen Vortrag darüber halten, wie man mit Hilfe des Internets im Radio bastelt. Das war lustig.
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